Dubiose Online-Befragung von Bikern zum „Motorrad-Lärm“

Derzeit kursieren im „World-Wide-Web“ die verschiedensten Umfragen. Bürger erhalten per E-Mail einen Fragebogen (bzw. einen LINK) zugesendet und werden gebet an einer Befragung teilzunehmen. Um den „wissenschaftlichen Charakter“ zu betonen, wird im Briefkopf des Fragebogens gelegentlich eine Hochschule genannt.

So auch jetzt aktuell.  Motorradfahrer erhalten per mail einen Fragebogen, der im Briefkopf als Absender den ADAC und die Hochschule Worms (University of Applied Sciences) führt. Ich selbst habe den Fragebogen seitens der „Biker Union“ zugesendet bekommen, die um „Unterstützung“ für dieses Projekt wirbt. Der Kern des Fragebogens ist die Auseinandersetzung mit dem Thema „Motorradlärm“.

Den vollständigen Fragebogen findet der Leser hier (bitte auf den blauen Text klicken):

Fragebogen Motorradstudie Hochschule Worms & ADAC

 

Motorrad nur ein Hobbygerät?

Ein sorgfältiges, kritisches Durchlesen dieses Fragebogens macht stutzig. Bereits die Frage 5 (Zitat) „Wie nutzen Sie Ihr Motorrad hauptsächlich“ (Zitat Ende) verwundert den kritischen Leser. Die vorgegebenen Antworten thematisieren das Motorrad als reines „Freizeitvergnügen“ als ausschließliches „Hobbygerät“. Die Nutzung des Motorrades als „Gebrauchsgegenstand“, als „alltägliches Fortbewegungsmittel“ um zur Arbeit zu kommen, oder einen Arzt auf zu suchen (eben so wie mit einem PKW), ist als Antwortvorgabe nicht vorgesehen.

Man könnte Entsprechendes unter „Sonstiges“ vermerken. Merkwürdig: Ist dies eine „wissenschaftliche“ Art ein objektives Bild über die Nutzung des Motorrades zu ermitteln? Oder ist es nur der Versuch ein „Vorurteil“ („… die fahren ja nur zum Vergnügen…“) zu manifestieren?

Sind „Lärm“ und „Sound“ das Gleiche?

In Frage 6 (Zitat) „Wie stehen Sie zum Thema Motorradlärm“ (Zitat Ende) werden ebenfalls Antwortvorgaben geliefert. Viele Vorgaben beziehen sich in der Tat auf das Thema „Lärm“. Aber dann tauchen dort plötzlich auch Antwortvorgaben auf mit den Formulierungen (Zitat): „Der Sound ist wichtig beim Motorradfahren“ oder „Der Sound ist Musik in meinen Ohren“. Nun wissen auch in der Akustik ungeschulte Laien, dass Lärm und Sound zwei grundverschiedene Fakten sind. Sound hat mit Lärm nichts zu tun.

Wieso werden in einer „wissenschaftlichen“ Studie diese beiden Dinge so grob durcheinander geschmissen? Und ja, wer die technische Entwicklung der „Soundgestaltung“ in den Ingenieurbüros von z.B. Porsche, BMW und Audi verfolgt, der weiß selbstverständlich, dass sich aktuell die Ingenieure hart bemühen einen „geliebten“ „Sound“ streng vom „Lärm“ zu trennen. Und dort wird inzwischen auch bewiesen, dass diese Trennung möglich ist. Übrigens: Auch beim Motorrad.

Was also will der ADAC und die Hochschule mit dieser Art der Frageformulierungen hier erreichen? Wieder ein Vorurteil bedienen: “Motorradfahrer lieben Sound also machen sie Krach”?

Nur „politisch genehme“ Maßnahmen der Lärmbekämpfung abgefragt

In Frage 9 wird nach Optionen der Reduzierung von „Lärm“ gefragt (Zitat): „Was sind lhrer Ansicht nach Möglichkeiten, den Lärm zu reduzieren? Was trägt zur Sensibilisierung der Motorradfahrer bei?“ (Zitat Ende).

Auch in diesem Falle gibt es Antwortvorgabe. Sehr viele Vorgaben bedienen Argumente der aktuellen politischen Diskussion, wie z.B. Streckensperrungen, Tempolimit nur für Motorräder, „Tiroler Modell“, etc. und sind einseitig nur gegen Motorräder gerichtet.

Es ist merkwürdig, dass keine einzige der Antwortvorgaben Maßnahmen formuliert, die Anstrengungen der kommunalen Ordnungsbehörden und des Gesetzgebers nötig machen, die signifikante Investitionen in Personal und Technik erfordern. Beispielsweise: Konsequente, intensive Geschwindigkeitskontrollen, „Lärmpuffer-Zonen“ an Ortseingängen und nach Ortsausgängen mit stark reduzierten Tempolimits für alle Fahrzeuge. Harte Tempolimits in Naherholungsgebieten für alle Fahrzeuge. Die stärkere Verfolgung bei der Ermittlung des Halters von „fotografierten“ Fahrzeugen. Oder gar das umstrittene juristisch-politische Thema, der „Einführung einer Halterhaftung“ für alle Fahrzeugkategorien.

Auch bei dieser Frage 9 entsteht der Eindruck, es sollen vorhandene „Vorurteile“ abgefragt werden, bzw. es wird nur nach Maßnahmen gefragt, die auch den gesetzeskonformen Motorradfahrer „mit bestrafen“, egal ob er schuldig ist oder nicht (Streckensperrung, etc.).

Repräsentativität?

Von Repräsentativität, wird man bei dieser Studie nicht sprechen können. Auch dann nicht, wenn man die abgefragten „Sozial-Struktur-Daten“ mit der Grundgesamtheit der Motorradfahrer abgleichen wird, und dann entsprechende Gewichtungen vornimmt. Das Problem aller „Online-Befragungen“ ist, dass man nicht weiß, wer hat geantwortet und vor allem, wie oft hat er/sie den Fragebogen ausgefüllt und geantwortet.

Letzteres (also die Häufigkeit der Antworten durch dieselbe Person) hat man versucht „ein zu fangen“ indem man von eine und demselben End-Gerät den Fragebogen nicht ein zweites Mal beantworten kann. Der Empfänger identifiziert die Endgeräte-ID. Leitet man den Fragebogen aber auf andere Geräte weiter (also auf das Smartphone, das Tablet, den Computer des/ Partners/ der Partnerin, den Computer der Kinder, auf das berufliche Notebook) dann kann ein und dieselbe Person beliebig oft antworten. Ich muss gestehen, ich habe das ausprobiert und es funktioniert! Also, alleine von mir existieren 6 Antworten, mit jeweils differenten Sozial-Struktur-Daten.

Tja, der geschulte Sozialwissenschaftler weiß selbstverständlich, wie man auch das verhindern kann, bzw. wie man „Online-Befragungen“ so organisiert, dass sie wesentlichen wissenschaftliche Standards genügen.

Nun, vielleicht bin ich ja auch ungerecht. Vielleicht soll diese Studie auch nicht sozialwissenschaftlichen Standards genügen.  Aber, so frage ich mich dann: Was soll dann diese Studie? Politik machen?  –  Politik gegen wen?

Hinweis: Dieser Blog-Beitrag ist die persönliche, unabhängige Analyse des Autors. Er wird von keiner Institution dafür bezahlt und hat seine Betrachtungen auch mit keiner Institution abgestimmt.